Der Mensch steht immer im Mittelpunkt
Seit 2022 sorgt das Projekt zur Personalbemessung in der Pflege für viel Wandel in den insgesamt zehn teilnehmenden Einrichtungen. Wir haben uns in zwei Pflegeeinrichtungen umgehört, was sich seit Projektbeginn verändert hat, und stellen zwei Rollen vor, die das Projekt unterstützen.
Das Projekt wird durch die GlücksSpirale teilfinanziert.
Care-Koordinator und Promotor
Im Zuge des Projekts zu §113c SGB XI Personalbemessung wurden Weiterbildungen zum Care-Koordinator durchgeführt. Die Rolle des Promotors unterstützt das Projekt ebenfalls, ist aber an keine Fortbildung geknüpft. Alle Einrichtungen verfügen nun über Promotoren und Care-Koordinatoren. Sie übernehmen folgende Aufgabenbereiche.
Promotoren sind entscheidende Kommunikatoren und Motivatoren. Sie kommunizieren in die Einrichtungen und zurück ins Projektkernteam. Zudem koordinieren und unterstützen sie die Prozesse in den Einrichtungen. Nach dem offiziellen Projektende treten sie für die Nachhaltigkeit, Verstetigung und Weiterentwicklung des Erreichten ein.
Care-Koordinatoren sind zuständig für kleinere Verantwortungseinheiten mit einer Anzahl von ca. 10 Bewohner*innen. Sie steuern den „Case und Care“-Mix. Der Case-Mix gibt an, wie viele Bewohner*innen mit welchem Pflegegrad in einer Einrichtung leben. Aus dem Care-Mix errechnet sich die erforderliche Personalmenge in verschiedenen Qualifikationsniveaus. Außerdem übernehmen Care-Koordinatoren aktiv die Verantwortung für den Pflegeprozess und die Koordination, Anleitung und Überwachung der Hilfskräfte. Weiterhin koordinieren Sie auch Absprachen mit Ärzt*innen, Angehörigen, Betreuer*innen und Ehrenamtlichen.
St. Michael in Füssen (KV Ostallgäu)
Care Koordinatoren
Besonders geholfen hat der aufgelöste Blickwinkel auf sich selbst und die Einrichtung. Bei der Einführung der Care-Koordinatoren wurde sich darauf besonnen, um wie viele Bewohner*innen sich eine Person fachlich und menschlich wirklich kümmern kann. Die Einheit „Wohnbereich“ mit zumeist über 30 Bewohner*innen ist für eine Wohnbereichsleitung bei weitem zu groß. Der Prozess des ganzheitlichen „Kümmerns“ beginnt bereits bei der Auswahl der Bewohner*innen, mit einem Besuch daheim oder im Krankenhaus.
„Wir initiieren hier beispielsweise ein wichtiges Ritual einer ersten Begegnung mit uns in einer psychologisch traumatischen Phase ins Altenheim ziehen zu müssen. Diese Lebensphase ist die wahrscheinlich letzte Schwelle, die ein Mensch in unserer Gesellschaft überschreitet – wir wollen diese humanistisch wertvoll gestalten“, erläutert Einrichtungsleiter Matthias Stroeher.
Ideal wäre es, wenn unsere Bewohner sagen würden: „Das ist Jasna. Sie kümmert sich um alle meine Belange - wenn ich sie nicht hätte!“
Innovationen
Promotoren werden in Füssen als innovativ betrachtet, weil sie als Verstärker und Unterstützer der Projektkommunikation fungieren und viele weitere Nebenprodukte des Projekts übernehmen im Bereich Dienstplangestaltung, mobile EDV-Lösungen für Tourenplanungen oder die Ausbildung von internationalem Personal.
Die Anwendung innovationsfördernder Methoden, wie „Design Thinking“, ermöglichen kreative Lösungen. Hierdurch werden alle Mitarbeiter durch konkrete Partizipation an der Ideenentwicklung miteinbezogen.
„Innovativ ist unser Ansatz seit Jahren international zu arbeiten. Wir beschäftigen inzwischen über 30 verschiedene Nationen in unserem Allgäuer Altenheim und rekrutieren unsere Mitarbeiter hauptsächlich auf eigenen Wegen und nicht über Agenturen“, berichtet Matthias Stroeher. Für die Ausbildung und Einarbeitung internationaler Mitarbeiter ist eine besondere Fürsorge notwendig. Im Zuge des Projektes soll noch eine eigene Stelle initiiert werden, die sich mit der Koordination und Zusammenführung der Gewohnheiten und Kulturmuster verschiedener Kulturen in der Organisation befasst, diese übersetzt, moderiert und vielleicht auch zusammenführt.
Seniorenzentrum Neuburg (KV Neuburg-Schrobenhausen)
Es herrscht eine klare Struktur im operativen Modus. Jeder Mitarbeitende hat seinen definierten Einsatzbereich. Nachdem die Gruppen nun täglich gewechselt werden, wird jeder Mitarbeitende täglich neu gefordert und es entsteht keine monotone Arbeitsweise. Die Mitarbeitenden haben mehr Ideen zu Veränderungen, bzw. Verbesserung und es besteht ein reger Dialog.
Umstrukturierung von Funktionsdiensten
Vor dem Projekt gab es auf der Station sog. Präsenzkräfte, die ausschließlich für die Zubereitung der Mahlzeiten sowie Ordnung und Sauberkeit in den Aufenthaltsbereichen zuständig waren. Diese Funktion ist im Rahmen der Personalbemessung nach § 113c SGB XI jedoch nicht mehr vorgesehen.
Mit allen ehemaligen Präsenzkräften wurden Gespräche geführt, ob sie es wagen wollen in die Pflege einzusteigen – alle waren bereit dazu. Über mehrere Monate folgte eine Einführung in die Pflege mit direkter Praxisanleitung.
Jetzt besteht ein sog. „Switch-Dienst“. Diese Mitarbeitenden beginnen um 6:30 Uhr ihren Dienst. Sie bereiten alles für das Frühstück vor und gehen dann in die Pflege. Sie kümmern sich um sieben Bewohner mit einem sehr niedrigen Versorgungsaufwand. Danach widmen sie sich wieder ihren hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.
Die ehemaligen Präsenzkräfte sind jetzt nicht nur für hauswirtschaftlichen Tätigkeiten zuständig, sondern sind aktiv in der Pflege. Hier lernen sie die Bewohner*innen mit ihren individuellen Bedürfnissen besser kennen. Sie sind nun auch fester Bestandteil des Pflegeteams – sie erfahren Anerkennung und Wertschätzung. Zusätzlich besteht die Option das sich diese Mitarbeitenden in Zukunft ganz für die Pflege entscheiden könnten.
Multiplikator
Seit Anfang 2024 steht dem Geronto-Bereich ein Multiplikator zur Verfügung. In diesem Fall ist es eine Pflegefachkraft der Altenpflege mit einer Zusatzweiterbildung zur gerontopsychiatrischen Fachkraft. Durch den Multiplikator gibt es nun einen Mitarbeitenden, der aus der Metaperspektive auf das Geschehen schaut. Er nimmt dies ggf. anders wahr als ein Mitarbeitender, der in den Ablauf involviert ist. Eine Verbesserung der Qualität in der Pflege ist hier auf jeden Fall gegeben.
Resümee
Durch das Projekt ist eine klare Definition von Qualifikationen entstanden. Achtsamkeit und Resilienz sind ein wichtiger Faktor in der täglichen Arbeit in der Einrichtung. Es ist wichtig, die Erfahrungen, Ressourcen und Ideen der Mitarbeitenden zu nutzen, jedoch nur bis zu einem gewissen Grad. Eine gesunde Work-Life-Balance ohne dauernde Überforderung, Einspringen, Überstunden und Arbeitsdruck sind von hoher Bedeutung. Dies konnte mit Hilfe des Projekts umgesetzt werden, da nun mehr Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Die Versorgungsgruppen wurden kleiner. Es ist mehr Zeit für den Bewohner*innen entstanden und die allgemeine Zufriedenheit steigt. Der Mensch stand und steht dabei immer im Mittelpunkt – egal ob Mitarbeitende oder Bewohner*innen.